
Berlin, DAPD. Bei der Aufklärung der gescheiterten Pkw-Maut ist Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) von einem wichtigen Zeugen erneut entlastet worden. Dabei geht es um Aussagen von Managern der späteren Betreiberfirmen.
Sie hatten ausgesagt, Scheuer bei einem Treffen im November 2018 angeboten zu haben, mit dem Abschluss von Verträgen zu warten, bis der Europäische Gerichtshof entscheidet. Der frühere Verkehrsstaatssekretär Gerhard Schulz sagte am Donnerstag als Zeuge im Maut-Untersuchungsausschuss, er sei «sehr sicher überzeugt», dass es ein solches Angebot nicht gegeben habe.
Das hatte Schulz bereits in einer Zeugenaussage im Oktober ausgesagt – und untermauerte es nun noch. Er sagte nun, auch nach Einsicht in Akten habe sich seine Erinnerung «zur Gewissheit» verdichtet, dass es ein solches Angebot nicht gegeben habe.
Als Grund für die anderslautenden Aussagen der Manager vermutete Schulz das laufende Schiedsverfahren zwischen dem Bund und den Firmen. Die vorgesehenen Betreiber fordern 560 Millionen Euro Schadenersatz, nachdem der Bund die Verträge direkt nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gekündigt hatte. Der EuGH hatte das deutsche Modell für eine Pkw-Maut im Sommer 2019 gekippt.
Scheuer hatte im Oktober ausgesagt: Ein Angebot der Betreiber zu einer Verschiebung eines Vertragsschlusses bis zu einem EuGH-Urteil habe es nach seiner Erinnerung nicht gegeben.
Schulz bekräftigte außerdem seine Aussage, in dem Gespräch mit den Managern, ihm und Scheuer im November 2018 sei es darum gegangen, ein Angebot des Konsortiums zum Preis von drei Milliarden Euro in Richtung des vom Bundestag bewilligten Rahmens von zwei Milliarden Euro zu bringen.
Die Opposition zweifelt die Glaubwürdigkeit des Ministers an. Sie wirft Scheuer bei der Pkw-Maut schwere Fehler zulasten der Steuerzahler vor und sieht eine Mitverantwortung des früheren Bundesverkehrsministers Alexander Dobrindt (CSU) bei der gescheiterten Pkw-Maut.
Unter seiner Führung seien die Maut-Gesetze durch den Bundestag und Bundesrat gebracht worden, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung der Obleute von FDP, Grünen und Linke im Maut-Untersuchungsausschuss.
Entgegen vielstimmiger Rechtsmeinungen seien die Maut-Gesetze als rechtskonform deklariert worden. Grünen-Obmann Oliver Krischer sagte, Dobrindt habe die Pkw-Maut eingefädelt und grundlegende Weichen gestellt, die nachher zum «juristischen Totalschaden» vor dem Europäischen Gerichtshof geführt hätten.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte die Pkw-Maut im Sommer 2019 für europarechtswidrig erklärt – sie sei diskriminierend für Autobesitzer aus anderen EU-Ländern. Das Urteil bezog sich auf ein Modell, für das Dobrindt als Verkehrsminister Ende 2016 noch grünes Licht der EU-Kommission erhalten hatte. Die Pkw-Maut war auf Drängen der CSU in den schwarz-roten Koalitionsvertrag von 2013 gekommen. Dobrindt war von 2013 bis 2017 Verkehrsminister und ist seitdem CSU-Landesgruppenchef.
FDP-Obmann Christian Jung sagte, Dobrindt hätte Scheuer davon abhalten müssen, die Betreiberverträge vor dem EuGH-Urteil zu unterzeichnen. Der Linke-Obmann Jörg Cezanne sagte, das Ministerium habe unter Dobrindts Führung die Behauptung, die deutsche Pkw-Maut sei EU-gerecht, wie ein Mantra durch alle parlamentarischen Befassungen getragen.
Unterdessen sieht die Opposition offene Fragen bei der Kommunikation Scheuers über ein privates Mail-Postfach. Krischer sagte, wenn Scheuer Korrespondenz über eine private Mailadresse zur Pkw-Maut verschwiegen habe, dann müsse das Konsequenzen haben.
Der «Spiegel» berichtete, Scheuer habe offenbar eine private, bislang unbekannte E-Mail-Adresse für dienstliche Angelegenheiten benutzt. Mehrere Quellen hätten dem Magazin bestätigt, dass Scheuer über einen Account beim Anbieter GMX kommunizierte, auch in Sachen Pkw-Maut. Gegenüber dem Untersuchungsausschuss habe Scheuer das Postfach nicht offengelegt.
Ein Sprecher des Ministeriums sagte: «Da weder an noch von diesem Account Mails zum Thema Pkw-Maut geschickt wurden, kann es doch auch keine Diskussion darüber geben». Weiter hieß es, die Erreichbarkeit des Wahlkreisabgeordneten und Bundesministers Scheuer sei auf verschiedene Weise gegeben. Der Minister werde am 28. Januar im Untersuchungsausschuss sein und dort auf Fragen der Abgeordneten antworten. FDP-Obmann Jung sagte: «Ich habe immer noch den Eindruck, dass wichtige Mails von Andreas Scheuer fehlen.»
© Nachrichtenagentur DAPD